Rote Blüten im grauen November

Glaubenssache

Steffen Lahmann ist Pastor der ev.-luth. Kirchengemeinde An Aue und Fuhse (Bild: Simone Bürger).
Steffen Lahmann ist Pastor der ev.-luth. Kirchengemeinde An Aue und Fuhse (Bild: Simone Bürger).

Rote Blüten im grauen November. Mohn. Sichtbar getragen an der Kleidung. Im Gedenken an die Toten des Krieges. In Frankreich. In den USA. In Großbritannien. In vielen Staaten des Commonwealth of Nations. Rund um den Globus. Rund um den Remembrance Day, den 11. November, an dem ein Waffenstillstand den Ersten Weltkrieg beendete.

Rote Mohnblüten in Verbindung mit dem Totengedenken haben eine lange Geschichte. Schon die alten Ägypter nutzten Mohn als Grabschmuck. Der griechische Dichter Homer vergleicht die Mohnblüte in der „Illias“ mit dem geneigten Kopf eines sterbenden Kriegers. Und der Medizin ist seit Jahrhunderten die einschläfernde und schmerzstillende Wirkung des Mohns bekannt.

Auf den Getreideäckern Israels war Mohn in biblischer Zeit die häufigste Blume. Und als „Blume des Feldes“ steht der Mohn auch hinter den biblischen Gedanken zu Tod und Leben, zu Vergänglichkeit und der Frage, was bleibt. So schreibt Petrus zum Beispiel: „Alles Fleisch ist wie Gras und all seine Herrlichkeit wie die Blume des Feldes. Das Gras verdorrt und die Blume fällt ab, aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit“ (1. Petrus, 1,24f.).

Rote Blüten im grauen November. Sie wurden zum Symbol des Gedenkens durch das Gedicht „In Flanders Fields“ von John McCrae. Unter dem Eindruck heftiger Kämpfe dichtete der kanadische Schriftsteller und Sanitätsoffizier McCrae: „In Flanders fields the poppies blow / Between the crosses, row on row,.. (Auf Flanderns Feldern Mohnblum‘n blühn, / wo Kreuze, Reih an Reih, sich ziehn…).

Anfang der 1920er Jahre entwickelte die US-Amerikanerin Moina Michael daraus die Idee, die rote Mohnblüte im Gedenken an die Opfer des Krieges zu tragen, der allen Kriegen ein Ende machen sollte. Seither erinnern Mohnblüten an der Kleidung an die Toten des Krieges. Damals und heute. Sie erinnern uns aber auch an unsere Vergänglichkeit und stellen uns vor die Frage, was bleibt und wie unser Tun und Lassen, unser Reden und Handeln dem Leben dient, damit Mohnblumen auf Getreideäckern keimen, anstatt zwischen Kreuzen, die sich Reih an Reih über Gräberfelder ziehen.

Steffen Lahmann
Pastor der St.-Petri-Kirchengemeinde Hänigsen-Obershagen


„Glaubenssache - Beiträge und Texte aus Kirche und Religion“

Die Kolumne erscheint jeweils sonnabends im Marktspiegel für Burgdorf und Uetze, sowie im Marktspiegel für Lehrte und Sehnde. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Kirchen schreiben Beiträge aus ihren Kirchengemeinden, Einrichtungen und Arbeitsfeldern, von ihren Erfahrungen und zu dem, was sie gerade beschäftigt.

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